Zuerkennung — Weitergewährung - Neubemessung - Entzug

Gesetzliche Grundlage
  • Bundespflegegeldgesetz (BPGG), § 9

(1) Zuerkennung von Pflegegeld

(1.1) Unbefristete Pflegegeld-Zuerkennung:

Im Regelfall wird das Pflegegeld unbefristet gewährt.

Der Anspruch auf die Pflegegeldleistung beginnt – bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen - im Regelfall ab Beginn des Monats, der auf die Antragstellung oder die Einleitung des Verfahrens von Amts wegen (nach einem Arbeitsunfall) folgt. Beispiel: Wird am 9.11 ein Antrag auf Gewährung von Pflegegeld gestellt, besteht der Anspruch auf Pflegegeld ab dem 1.12.

(1.2) Befristete Pflegegeld-Zuerkennung:

Eine Befristung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit wegfallen werden – zB im Zusammenhang mit einem zu erwartenden Erfolg der Rehabilitation nach einem Unfall oder bei Wegfall der (befristet gewährten) bundesgesetzlichen Grundleistung im Sinne des § 3 Abs 1 BPGG (wie zB Pension, Vollrente, versorgungsgesetzliche Zahlungen, Sonderruhegelder).

Achtung! Mit Ablauf der Befristung endet auch der Anspruch auf das Pflegegeld.

(2) Pflegegeld-Weitergewährung nach Ablauf der Befristung

Wird das Pflegegeld befristet zuerkannt, ist nach Ablauf der Befristung eine neue Antragstellung erforderlich.

Achtung! Wird der Antrag auf Weitergewährung innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf der Befristung gestellt, ist das Pflegegeld mit Beginn des auf den Ablauf der Frist folgenden Monats weiterzugewähren, sofern die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Pflegegeld weiterhin vorliegen.

Ob Pflegegeld weiterhin gebührt, ist unabhängig von der früheren Einschätzung neu zu überprüfen, geänderte Verhältnisse sind nicht erforderlich. Das bedeutet: Es wird der aktuelle Pflegebedarf der/des Pflegegeldwerber*in erhoben.

Achtung! Keine nahtlose Weitergewährung bei einer Antragstellung nach der 3-Monatsfrist: In diesem Fall wird der Weitergewährungsantrag als Neuantrag gewertet. Der Anspruch auf Pflegegeld entsteht dann mit dem nächsfolgenden Monatsersten.

TIPP! Antragstellung auf Weitergewährung von Pflegegeld bereits ca. 6-8- Wochen vor Ablauf der Befristung!

Wird dem Antrag auf Weitergewährung von Pflegegeld nicht stattgegeben, kann innerhalb von 3 Monaten (gerechnet ab Datum der Zustellung des Bescheides) eine Klage beim zuständigen Sozialgericht eingebracht werden.

(3) Pflegegeld-Neubemessung & Pflegegeld-Entzug

Ein Entzug des Pflegegeldes erfolgt, wenn eine Voraussetzung für die Gewährung von Pflegegeld nicht mehr vorliegt. Auch bei Wegfall der Grundleistung wird das Pflegegeld entzogen.

Eine Neubemessung (Erhöhung oder Herabsetzung) des Pflegegeldes erfolgt, wenn eine für die Höhe des Pflegegeldes wesentliche Veränderung eintritt.

(3.1) Auswirkungen der strengeren Anspruchsvoraussetzungen für die Pflegegeldstufen 1 und 2 in Herabsetzungs- bzw. Entzugsverfahren und bei Befristungen

Seit 1.1.2015 gelten für die Pflegegeld Stufe 1 und 2 (BGBl I 2015/12) strengere Anspruchsvoraussetzungen: Wird ein Antrag auf Erstgewährung oder Erhöhung des Pflegegeldes gestellt, sind für Stufe 1 mehr als 65 (bisher mehr als 60) bzw. für die Stufe 2 mehr als 95 (bisher mehr als 85) Stunden Pflegebedarf monatlich erforderlich.

Eine Minderung/Entziehung eines rechtskräftig zuerkannten Pflegegeldes wegen dieser Anspruchsverschärfungen ist nur dann zulässig, wenn auch eine wesentliche Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfs eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung im Ausmaß des Pflegebedarfs, die zu einer Minderung oder Entziehung berechtigt, kann nur dann angenommen werden, "wenn diese so ein Ausmaß erreicht, dass auch nach der Rechtslage bis zum 31.12.2014 eine Minderung oder Entziehung zulässig (gewesen) wäre".

Wurde das Pflegegeld befristet nach der Rechtslage bis zum 31.12.2014 gewährt, bleiben für die Frage der Weitergewährung die Anspruchsvoraussetzungen für die Stufen 1 und 2 bis zum 31.12.2014 maßgeblich.

(3.2) Überprüfung der Höhe des gewährten Pflegegeldes von Amts wegen

Der Pflegegeld-Entscheidungsträger kann jederzeit ein Verfahren zur Überprüfung der Höhe des gewährten Pflegegeldes einleiten – dh es gibt keine Sperrfrist von einem 1 Jahr für eine Überprüfung von Amts wegen.

In der Praxis wird vom Entscheidungsträger ein Pflegegeld-Verfahren von Amts wegen meist nach einem längeren Zeitraum eingeleitet.

Ein amtswegiges Verfahren innerhalb eines Jahres soll nur dann eingeleitet werden, wenn sich konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Verringerung des Pflegebedarfs ergeben haben, zB Verbesserung des körperlichen und geistigen Zustands durch Reha, Kur, OP, Gewöhnung an die Beeinträchtigung.

Ergebnisse der amtswegigen Überprüfung durch ein Anstaltsgutachten:

  • Geringfügige Pflegebedarf-Änderung führt zu keiner Verringerung/Erhöhung der bisherigen Pflegegeldstufe.
  • Wesentliche Pflegegbedarf-Verringerung führt zur Herabsetzung oder Entziehung der bisher bezogenen Pflegegeldstufe mit Bescheid.
  • Wesentliche Pflegebedarf-Erhöhung führt zur Zuerkennung einer höheren Pflegegeldstufe mit Bescheid.
Kriterien für die Anordnung von Nachuntersuchungen:

Siehe Entscheidung des OGH vom 22.6.2021, 10 ObS 21/21t; ZAS 2021/06, S 292

Eine vom Versicherungsträger (idF PVA) angeordnete ärztliche Untersuchung muss iSd Art 8 EMRK verhältnismäßig sein. Das bedeutet: die Untersuchung muss geeignet, erforderlich und adäquat sein. Gibt es mehrere geeignete Maßnahmen zur Feststellung des Gesundheitszustandes muss die gelindestens Methode gewählt werden. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Maßnahme für den Versicherten sind zu berücksichtigen:

  • objektive Zumutbarkeitskriterien (= mit der Maßnahme verbundene Gefahren, Erfolgsaussichten, Folgen und Schmerzen der Beeinträchtigung) und
  • subjektive Zumutbarkeitskriterien (= körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse). 

Achtung! Wird einer Ladung zur Nachuntersuchung nicht Folge geleistet, kann die PVA die Leistungen (idF Berufsunfähgigkeitspension und Pflegegeld) mit Bescheid entziehen (Grund: wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht).

(4) Anzeigepflicht (§ 10 BPGG)

Jede Veränderung in den Voraussetzungen für den Pflegegeldbezug, die den Verlust oder eine Minderung des Anspruchs oder eine Anrechnung auf das Pflegegeld bewirken können, sind vom Pflegebedürftigen binnen 4 Wochen dem zuständigen Entscheidungsträger anzuzeigen.

TIPP! Grundsätzlich hätte der Pflegebedürftige auch seinen stationären Aufenthalt in einer Krankenanstalt dem zuständigen Entscheidungsträger anzuzeigen. Der betreffende Träger der Kranken- und Unfallversicherung ist jedoch ausdrücklich verpflichtet, den stationären Aufenthalt der betreffenden Person umgehend dem zuständigen Entscheidungsträger zu melden - auf deren Meldung kann der Pflegebedürftige grundsätzlich vertrauen.

Quellen
  • Greifender/Liebhart: Handbuch Pflegegeld. Wien: Manz 2004, Rz 398ff, Rz 457f
  • Greifeneder, Martin: Fragen aus der Praxis in: ÖZPR 5/2015, S 145f.
  • Liebhart, Gunther: Amtswegiges Pflegegeldverfahren in: ÖZPR 6/2015, S 170f.
  • Greifeneder, Martin: Fragen aus der Praxis in: ÖZPR 3/2016, S 80.
  • ZAS-Judikaturübersicht in: ZAS 2021/06, S 292
  • Greifeneder: Fragen aus der Praxis in: ÖZPR 2022/28

Stand: 16.5.2022