Auswirkungen einer Behinderung/Krankheit auf die Eheschließung

Mitteilungspflicht

Grundsätzlich besteht vor der Eheschließung die Pflicht, dem/der Partner:in alle Umstände, die für seinen/ihren Entschluss, die Ehe einzugehen, bestimmend sein können, mitzuteilen.

Wenn die Krankheit/Behinderung schon vor Eheschließung besteht - Aufhebung der Ehe

Aufhebung wegen Irrtums (§ 37 EheG):

Der/Die Ehepartner:in kann auf Aufhebung der Ehe wegen Irrtums klagen, wenn Ansätze der schweren Krankheit/Behinderung schon vor der Eheschließung vorhanden waren und der/die Ehepartner:in bei Kenntnis der Krankheit/Behinderung nicht geheiratet hätte.

Die Aufhebungsklage muss vom/von der Ehepartner:in innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Irrtums eingebracht werden. Die Klage ist ausgeschlossen, wenn der/die Ehepartner:in, nach Entdeckung des Irrtums, zu erkennen gibt, dass er/sie die Ehe fortsetzen will.

Wann ist die Aufhebung unzulässig?

  • wenn die Krankheit/Behinderung erst nach der Eheschließung entstanden ist
  • wenn die Aufhebung der Ehe mit Rücksicht auf die bisherige Gestaltung des ehelichen Lebens sittlich nicht gerechtfertigt ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Krankheit inzwischen wieder geheilt ist; eine wesentliche Verbesserung eingetreten ist; die Ehe ist schon lange harmonisch verlaufen ist; in der Zwischenzeit Kinder geboren wurden.
Aufhebung wegen arlistiger Täuschung (§ 38 EheG):

Verheimlicht ein/eine Ehepartner:in seinem/ihrem künftigen Ehepartner:in absichtlich die ihm/ihr bekannte Diagnose, könnte diese(r) Ehepartner:in auf Aufhebung der Ehe wegen arglistiger Täuschung klagen - irrelevant ist dabei, warum der/die Ehepartner:in die schwere Krankheit/Behinderung verschwiegen hat.

Die Aufhebungsklage ist ausgeschlossen, wenn der/die Ehepartner:in, nachdem ihm/ihr die Krankheit/Behinderung bekannt wurde, zu erkennen gibt, dass er/sie die Ehe fortsetzen will. Dies wird dann der Fall sein, wenn die Ehepartner:innen weiter zusammenleben und der/die getäuschte Ehepartner:in dies auch will.

Schwere der Erkrankung/Behinderung:

Die Krankheit/Behinderung muss schwer und eine dauernde, spürbare Belastung der ehelichen Gemeinschaft mit sich bringen. Zudem muss eine Heilung nach ärztlicher Erfahrung unmöglich oder sehr unwahrscheinlich sein. Ist die Krankheit heilbar, kann eine Aufhebung möglich sein, wenn diese mit großer Wahrscheinlichkeit schwere Folgen für den Kranken, den/die Partner:in oder die Nachkommenschaft hat.

Körperliche Krankheiten müssen schwer, ansteckend oder Ekel erregend sein (zB Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose im fortgeschrittenen Stadium). Weitere mögliche Aufhebungsgründe: Erbkrankheiten, wenn diese die Nachkommenschaft gefährden können; hochgradige Nervenleiden; neurologische Krankheiten (zB Parkinson); Geisteskrankheiten (zB Hysterie, unheilbare Neurasthenie, Paralyse, Schizophrenie, schwere unheilbare Melancholie oder Folgen einer Gehirnhautentzündung)

Wenn die Krankheit/Behinderung erst nach der Eheschließung entsteht - Besondere Scheidungsgründe im Krankheitsfall (§§ 50 – 52 EheG)

Scheidung wegen geistiger Störung (§ 50 EheG):

Der/Die Ehepartner:in kann die Scheidung begehren, wenn die Ehe infolge eines Verhaltens des anderen, das auf einer geistigen Störung beruht, so tief zerrüttet ist, dass die Wiederherstellung einer „normalen“ Ehe nicht mehr erwartet werden kann.

Fälle geistiger Störung: geistig-seelische Anomalien, Formen von Psychopathien, Psychoneurosen, Zwangsneurosen, Alkohol- und Drogensucht, abnormale Sexualtriebe, wahnhafte Einbildungen, geistige Anomalien (zB Melancholie, Hysterie, psychopathische Zustände, Zwangshandlungen).

Der/Die Ehepartner:in muss ein Verhalten setzen, das „im Normalfall“ als schwere Eheverfehlung anzusehen ist, zB einen Gewaltakt gegenüber dem/der Partner*in, der auf einer geistigen Störung beruht.

Scheidung wegen Geisteskrankheit (§ 51 EheG):

Der/Die Ehepartner:in kann die Scheidung begehren, wenn der andere geisteskrank ist, die Krankheit einen solchen Grad erreicht hat, dass die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehepartner*innen aufgehoben ist und eine Wiederherstellung dieser Gemeinschaft nicht erwartet werden kann.

Dieser Scheidungsgrund ist nur bei schwerer geistiger Krankheit (wie zB Schizophrenie) anwendbar. Kann die Geisteskrankheit geheilt werden oder zumindest wesentlich gebessert werden, ist eine Scheidung wegen Geisteskrankheit nicht möglich.

Die geistige Gemeinschaft ist dann zerstört, wenn der/die Kranke nicht mehr in der Lage ist, an den Vorgängen der Ehe und Familie wirklichen geistigen Anteil zu nehmen und seiner/ihrer Anteilnahme irgendwie aktiv Ausdruck zu verleihen.

Scheidung wegen ansteckender oder Ekel erregender Krankheit (§ 52 EheG):

Der/Die Ehepartner:in kann die Scheidung begehren, wenn der/die andere an einer schweren, ansteckenden oder Ekel erregenden Krankheit leidet und ihre Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit nicht erwartet werden kann.

Fälle ansteckender Krankheiten: Geschlechtskrankheiten (zB AIDS, Syphilis) oder schwere ansteckende Krankheiten (zB Tuberkulose im fortgeschrittenen Stadium oder Lepra), wenn deren Heilung oder die Ansteckungsgefahr nicht in absehbarer Zeit erwartet werden kann.

Fälle Ekel erregender Krankheiten: nässende oder übel riechende Ekzeme, Hautkrebs, Schuppenflechte, körperliche Missbildungen oder Folgen einer Operation, wenn sie Ekel erregend wirken (zB Ekel erregender künstlicher Darmausgang).

ACHTUNG! Eine Scheidung ist nicht zulässig, wenn sie sittlich nicht gerechtfertigt wäre, weil sie den/die kranke(n) Ehepartner:in außergewöhnlich hart treffen würde. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere sind zu prüfen: Dauer der Ehe, Lebensalter der Ehegatten und Anlass der Erkrankung.

Unterhaltsanspruch nach Scheidung & Behinderung

Grundsätzlich wird nach der Scheidung von jedem/-er Ehepartner:in erwartet, für sich selbst zu sorgen. Wenn jedoch eine eigene Erwerbstätigkeit nicht möglich ist zB wegen einer Krankheit ist nach Möglichkeit Unterhalt zu gewähren.

Der Anspruch eines/-r geschiedenen Ehegatt:in auf Unterhaltszahlung durch den/die andere(n) Ehegatt:in hängt von der Art der Scheidung ab. Ob und in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht besteht, ist je nach dem Grund für die Scheidung unterschiedlich zu beantworten. Bei allen Scheidungsvarianten gilt:

  • Berechnungsgrundlage ist das monatliche Nettoeinkommen inklusive anteiliger Sonderzahlungen (Monatsnettolohn x 14 : 12)
  • bei einer Änderung des Einkommens oder der Beschäftigung eines der Geschiedenen ist der Unterhaltsbetrag neu zu berechnen
  • weitere oder neue Unterhaltspflichten des Unterhaltspflichtigen (Kinder, Eltern) vermindern seine Unterhaltspflicht
  • ein besonderer zusätzlicher Bedarf des Unterhaltsberechtigten (zB durch Krankheit, Diät, Behinderung) erhöht dessen Unterhaltsanspruch

Bei einer Scheidung aus beiderseitigem Verschulden gilt beispielsweise: "Kann sich ein Ehegatte weder aus den Erträgnissen noch aus dem Stamm des Vermögens selbst erhalten und ist er erwerbsunfähig, so kann ihm ein sogenannter Unterhaltsbeitrag gewährt werden, wenn dies nach den gegebenen Umständen der Billigkeit entspricht" (Dexler-Hübner: Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft9 S. 88).

Bei der einvernehmlichen Scheidung (§ 55a EheG) vereinbaren die Ehepartner:innen völlig frei, ob und wer von ihnen unterhaltsberechtigt ist. Die Höhe des Unterhalts, zeitliche Beschränkungen und Bedingungen können je nach ihren individuellen Bedürfnissen festgelegt werden. Auch können sie ein- oder wechselseitig auf Unterhaltszahlungen verzichten.

Wurde vertraglich nicht anderes vereinbart, so erlischt die Unterhaltspflicht mit der Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten.

TIPP!

Unterhaltsansprüche nach der Scheidung (oesterreich.gv.at)

Quellen

Stand: 19.12.2023